strandgut
Dienstag, 27. Mai 2003
Ein Leben für die Grundrechte

Montag, drei Uhr Nachmittags. Eine weitere Unterrichtseinheit beginnt. Es sollte die letzte dieses Tages sein und nichts deutet auch nur ansatzweise auf eventuelle Schwierigkeiten hin. Das Fach ist keines derer, die bei mir besondere Schwerfälligkeit hervorrufen und der Gedanke an einen entspannten Tagesausklang ist präsenter denn je. Schließlich geht es gar soweit, dass ich den folgenden eineinhalb Stunden mit Freude und Erwartung entgegenblicke. Die ersten fünfundvierzig der insgesamt neunzig Minuten verlaufen ganz nach meiner Vorstellung. Mein Wohlbehagen nimmt mit dem Verstreichen der Minuten zu, bis eine erhobene Stimme die Situation schlagartig ändert. Ich blicke mich einen Moment um und sehe erwartungsgemäß meine Mitschäler, die ihre Aufmerksamkeit weitestgehend der Lehrkraft widmen. Als diese nun meinen Sitznachbarn darauf aufmerksam macht, wenn er schlafen wolle, so solle er das doch draußen tun, bewegt mich das zu einer kurzen Wiederaufnahme der vergangenen fünf Minuten. Schließlich stelle ich etwas verwundert fest, dass ich mir lediglich einen Bruchteil von jenem Zeitraum in Erinnerung rufen kann. So komme ich nach angestrengtem Überlegen zu dem Schluss, dass es mir ähnlich ergangen sein muss, wie meinem Sitznachbarn. Um dem Vortragenden finstere Blicke und weitere mahnende Worte zu ersparen, entschließe ich mich, die verbleibende Zeit vor Konzentration strotzend zu verbringen. Haltung annehmen, sozusagen. Diesem, im Prinzip durchaus lobenswerten Ansatz steht jedoch eine schier unüberwindlich scheinende Schlaftrunkenheit gegenüber. Für einen Augenblick fallen mir jene Getränke ein, die für ihren hohen Koffeingehalt bekannt sind. Wenig später wird mir jedoch klar, dass es in dieser Situation unmöglich ist, ein solches Energiegebräu zu erstehen und verwerfe den Gedanken wieder. Ein an sich interessanter Unterricht und der, sich daraus ergebende Widerwille etwas zu versäumen, machen es mir schwer, mich gehen zu lassen. Die Kluft zwischen Moral und Grundbedürfnis vergrößert sich zunehmend. Es gibt eine Alltagsweisheit die besagt, dass man gerade dann einschläft wenn man krampfhaft versucht wach zu bleiben. Dem habe ich in meiner derzeitigen Lage nichts entgegenzusetzen. Blicke auf einen Lehrer, der im Begriff ist, jeden Moment warnende Worte an mich zu richten, rufen zusätzlich eine ungemeine Stresssituation meinerseits hervor. Etwa eine halbe Stunde vor Unterrichtsende entschließe ich mich, meinen seelischen Qualen ein Ende zu bereiten und verlasse wortlos den Raum.

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