strandgut
Samstag, 27. September 2003
Exekutive Wien Süd

Einmal die Woche, pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk, erscheint bei uns am Muhrhoferweg die Feuerwehr, die Rettung oder die Polizei und zuweilen auch alle gleichzeitig im Hof der Siedlung. Der „Betriebsausflug“ der Exekutive Wien Süd erscheint um exakt 20.30 Uhr (kurz nach Anfang des Hauptabendprogramms!) und verlässt den Hof 15 bis 30 Minuten später wieder. Die Anzahl der Einsatzfahrzeuge variiert zwischen eins und sieben. Sie erscheinen jeweils nur mit Blaulicht aber ohne Sirene, um die Simmeringer nicht beim Sehen diverser intellektueller Sendungen, wie „Die dümmsten Verbrecher der Welt“ oder „Kreisch! – Eine Frau in Schrecken“ zu stören. Kaum blinkt hinter einer Ecke der blaue Schein hervor, erwacht Kaiserebersdorf zu neuem Leben. Innerhalb einer knappen Minute hat sich das Publikum in den Logen, also den Balkons, eingefunden. Das Licht in den Räumen dahinter wird gelöscht, um nicht als proletarischer Gaffer enttarnt zu werden. Nur der Fernseher flackert grün im Hintergrund – heute spielt die National-Elf gegen die Türkei. Wer gewinnen wird ist klar! Das Spiel im Hof hingegen, ist noch lange nicht entschieden! Vom Balkon aus hat man einen Überblick über den gesamten Ort des Geschehens, da wird das Ländermatch zur Nebensache.
Inzwischen haben sich dutzende Gassi-Geher mit ihren noch benommenen Schurlis und Flockis unten versammelt, man sieht den Schlafanzug unter ihren Mänteln hervorblitzen. Es wird eifrig über das bevorstehende Ereignis, dessen Verlauf und den Grund des Erscheinens der Einsatzkräfte diskutiert und spekuliert – die ersten Wetten werden entgegengenommen. Bis jetzt ist nur einmal die Feuerwehr da. Die behelmten Männer suchen noch die Hausnummer, zu der sie bestellt wurden. Ein paar ganz Lustige in den Logen wacheln mit ihren Feuerzeugen herum.
Die Feuerwehr hat endlich das Haus gefunden und geht zügigen Schrittes darauf zu. Nun biegt auch schon die Rettung um die Ecke – sie wird mit einer Welle, die sich über den gesamten Hof und die Balkone erstreckt, begrüßt. Zwei Ärzte steigen aus, nehmen eine Bahre aus dem Wagen und folgen den Feuerwehrmännern. Jetzt sind die Einsatzfahrzeuge verlassen, nur das Blaulicht blinkt noch. Der Erste wagt sich an den Rettungswagen näher heran und inspiziert das Gefährt. Langsam wird es lauter im Hof, ein Raunen geht durch die Menge und vereinzelt hört man rauchige Stimmen sagen: „Des woa sicha a Gasexplosion!“. Andere verneinen das: „A, red doch kan Unsinn! Des hätt ma doch g´hört. Aussadem warad de Leich dann doch ganz zafetzt, da bräuchaten se kanen Krankenwagen mehr!“. Die Nachbarin darauf: „Woascheinlich hot da oide Pospisil wieda an Heazinfaakt g´hobt! Do missan´s de Tür aufbrechen!“. Und der Optimistischste meint gelassen: „Vielleicht wü si a nur ana hamdrahn!“.
Nach fünf Minuten kommen die Feuerwehrmänner wieder aus dem Haus, steigen in ihr Gefährt und fahren davon. Kurz darauf kommen die Leute von der Rettung heraus, die Bahre ist leer. „Na hallo, des wao´s jetzt, oda wie?“ Die armen Ärzte werden ausgepfiffen. „Hob i moi wieda Recht g´hobt“ – der Mann, der auf den falschen Alarm getippt hat, freut sich. Er ist wieder um ein paar Euro reicher, wahrscheinlich hat er selber bei der Feuerwehr angerufen.
Schlussendlich verschwindet auch die Rettung, dafür fährt eine Polizeistreife vor – damit ist der Abend endgültig gelaufen. „Schleicht´s eich, die Kieberei!“ So schnell wie die Leute da waren, sind sie auch wieder verschwunden. Nur die zwei Polizeibeamten stehen etwas ratlos und verloren in dem ausgestorbenen Hof und fragen sich was sie ins Protokoll schreiben werden.
Bald rauscht auch der Funkwagen ab. Niemand beachtet ihn mehr. Alle Menschen sitzen wieder vor ihren Flimmerkisten – erschöpft vom heutigen Tag und mit Vorfreude auf das, was die nächste Woche bringen wird…

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Mittwoch, 17. September 2003
24

Bekannter Weise bin ich ein Mensch, der relativ viel Zeit vor dem Fernseher verbringt. Wenn andere Leute am Abend weggehen, (was ich zugegebenermaßen auch oft lieber täte, mir jedoch sowohl die finanziellen Mittel, als auch die nötige Motivation fehlt, mich noch einmal auf den langen beschwerlichen Weg in die Stadt zu machen,) dann sitze oder „lungere“ ich viel mehr meist auf der Couch, irgendwelche Nahrungsmittel in der einen Hand und die Fernbedienung in der Anderen haltend, plus einer Katze am Schoß, vor der Kiste und blicke gespannt auf das, was da kommen mag. Nicht umsonst ist der Alarm meiner Casio auf 20.15 Uhr gestellt – Prime Time! Leider spielt es die wirklich guten Sendungen immer erst ziemlich spät (ich empfehle besonders: 3sat, arte und evtl. noch ORF2!). Davor muss also etwas Anderes herhalten, um meine Lust auf bewegte Bilder zu stillen. Da kommen mir schon mal wirklich sehr seicht dahinplätschernde Sendungen unter, bei denen man im Allgemeinen die Handlung schon nach dem ersten Dialog erraten hat. Aber was solls, nach einem langen Tag in der w@lz, freue ich mich einfach schon aufs süße Nichtstun.
Ich wollte hier jedoch nicht von mir, sondern von einem wahren Fernseh-Phänomen berichten: 24 – die neue seichte Action-Dauerberieselung auf ORF1 und RTL II, die so manchen schon zu einem spontanen Amoklauf zu nächtlicher Stunde getrieben haben muss, wie ich meine. Dieses „neue“ Fernsehformat wird doch tatsächlich in „Echtzeit“ (was eigentlich gar nicht stimmt – ich habe selbst mitgestoppt!) in 12 (!) 2-stündigen Folgen ausgestrahlt. Das bedeutet also, dass, wenn man sich wirklich die ganze Serie ansehen möchte/muss, man einen gesamten Tag vor der Glotze verbringt/ verbringen muss! Verbringen muss? Ja, denn… und ich bin jetzt schon auf sämtliche Kritiken gespannt, die diesem Artikel zwangsläufig folgen werden… man kommt einfach nicht mehr los von Jack Bauer und seiner vollbusigen blonden Tochter! Diese Sendung, mit einer fürchterlich unrealistischen Handlung ausgestattet, wird irgendwie künstlich spannend gehalten, sodass ich auch nach mehrmaligem Durchzappen immer wieder bei geilen Blonden… äh… Agent Bauer lande. Nun sitze ich also tatsächlich schon seit 6 Folgen immer wieder pünktlich zur neuen Stunde auf der Couch und tauche in das aufregende Agentenleben ein – zusammen mit meiner Katze. Seit Beginn der Serie habe ich nur etwa eine viertel Stunde nicht gesehen, trotzdem habe ich das Gefühl unendlich viel verpasst zu haben! Irgendwo ist da ein Trick dahinter – vielleicht Hypnose!
Na ja, hiermit habe ich also meine Sucht offiziell bekannt gemacht und fühle mich etwas leichter. Ein Problem habe ich allerdings noch: gestern habe ich mir auch einmal, nach einer bestandenen Prüfung, einen schönen Abend geleistet und bin weggegangen. Und deshalb habe ich die gestrige siebente Folge verpasst! Gott sei Dank gibt es heute die Wiederholung: von 00.35 bis 01.55 Uhr! Sollte ich morgen also mit verschwollenen Augen und etwas gebrechlich wirkend in die w@lz stolpern, fragt mich bitte nicht was los ist…

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Freitag, 5. September 2003
Was hält unsere Gesellschaft von den längeren Ladenöffnungszeiten, einer FRAU Bundespräsidentin und Frau Gehrers kürzlichen Aussage…

Nach einem Tag, einem langem Tag, an dem wir Interviews über verschiedenste Themen unserer politischen Lage mit unseren lieben Mitbürgern auf den Straßen Wiens genommen haben, kann ich nicht gerade von einem guten Gefühl in meinem Unterleib sprechen. Ja, man könnte es sogar als ein bisschen schmerzend beschreiben.

Unsere erste Frage war den neuen Ladenöffnungszeiten gewidmet. An erster Stelle möchte ich euer Mitgefühl für die Politesse erwecken. Diese hat nach 18:00 Uhr kein Geld mehr zum einkaufen, und beschreibt deshalb die längeren Ladenöffnungszeiten als vollkommenen Schwachsinn. Ansonsten spalten sich hier die Meinungen unserer Gesellschaft:
Die eine Hälfte hat jetzt schon ein sehr starkes Mitgefühl für die betroffenen Angestellten entwickelt und ist somit gegen die längeren Öffnungszeiten. Und der anderen Hälfte sind die Angestellten „bare“, das Einkaufen scheint ihnen wichtiger zu sein.

Als nächstes interessierten wir uns für die fremden Meinungen über eine eventuell baldige FRAU Bundespräsidentin. Dort ist mir besonders ein „Jugo“ in der Erinnerung geblieben, dessen Interview ich an dieser Stelle gerne zitieren würde:
A (Mikrofon haltend, schnellen Schrittes hinter unbekannter Person B hereilend): „Entschuldigen Sie! Hätten sie kurz 5 schnelle Sekunden Zeit für eine Frage?“
B (hastig gehend, in gebrochenem Deutsch ohne Person A anzuschauen): „Ich sei Jugo“.
A (Person A gibt nicht so schnell auf): „nur eine schnelle Frage. Bald stehen ja wieder die Bundespräsidentschaftswahlen an. Was würden Sie denn von einem weiblichen Wahlsieg, nämlich einer Frau Bundespräsidentin, halten?“
B (mit groß aufgerissenen Augen): FRAU? Frau in Wohnung. Frau putzen. Frau nix Bundespräsidentin.
A (ein bisschen überrascht): „Warum?“
B (schon leicht genervt): „Frau machen Küche.“
A: Oh, sind Sie Frauen feindlich.
B: unverständliches Gebrummel von Frau und Küche.
A: „Was halten Sei denn generell von Frauenpolitik?“
B (sich wieder in Bewegung setzend): „Frau nichts Politik. Mann Politik. Frau Küche. Keine Frau Bundespräsidentin“.
A (hinter Person herrufend): „Vielen Dank für das Interview“
B ist schon um die Ecke verschwunden.
Ansonsten klaffen auch hier die Meinungen wieder auseinander, wobei es bei ca. 25 Befragten allerdings keine Frau gab die dies als negativ bezeichnet.

Nachdem bei unseren vorigen Interviews die Befragten eher den älteren Generationen zufielen, entschieden wir uns, jetzt einmal altersgleiche Jugendliche (16-18 Jahre) zu befragen. Das Thema war nicht schwer zu finden. Nämlich Bildungsministerin Gehrers Aussage, statt von Party zu Party zu brausen, lieber Kinder zu zeugen.
Hier ergaben sich wahrscheinlich die beängstigenden Antworten. Von 100% (ca. 35 Jugendliche) der Befragten hatten gut 30% die Aussage gar nicht mitbekommen. Und nach Gesichtsausdruck zu urteilen, kam ihnen der Name Gehrer auch eher unbekannt vor. Andere geschätzte 50% erwiderten uns diese Aussage sei ein Schwachsinn. Sie wollen noch keine Kinder haben. Aber die meisten sagten, 22-23 Jahre wäre ein gutes Alter damit anzufangen.
Unter den ca. 35 Befragten gab es genau 3 Jugendliche die sich über dieses Thema schon Gedanken gemacht hatten und uns eine gut begründete Antwort gaben. Vielen Dank diesen dreien. Sie haben mir doch immerhin ein Fünkchen Hoffnung gegeben, dass das Wahlalter 18 wenigstens für sie begründet ist.

Nach diesem so aufschlussreichem Tag weiß ich nicht wirklich wie ich mich fühlen soll. Repräsentieren diese Befragten wirklich unsere Gesellschaft?

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